World Of White Trash - El mundo de la basura blanca: 03/2009

World Of White Trash - El mundo de la basura blanca

3/17/2009

Sie hoffen noch immer

Rund 130.000 Exiltibeter leben in Indien. In Dharamsala lebt der Dalai Lama, hier sitzt die Exilregierung. Weshalb der Ort auch zur Pilgerstätte westlicher Touristen geworden ist. VON SVEN HANSEN
"In der ersten Zeit nach meiner Flucht hatte ich noch stark die Hoffnung, in vielleicht zwei oder drei Jahren nach Tibet zurückkehren zu können," sagt Bhartso Rinchen Wangyal. "Inzwischen ist viel Zeit vergangen. So wie sich China momentan verhält, wird die Rückkehr Bhartso erinnert sich sehr genau. Kurz nachdem er vom Aufstand in Tibets Hauptstadt Lhasa am 10. März 1959 und der Flucht des 14. Dalai Lama erfahren hatte, änderte sich sein Leben schlagartig. Bei einer Razzia chinesischer Sicherheitskräfte in seinem Heimatort Sakya, 250 Kilometer westlich von Lhasa, wurde der damals 23-Jährige verhaftet. Weil er für Tibets Regierung gearbeitet hatte und zur oberen Mittelschicht gehörte, kam er für zwei Jahre ins Gefängnis.

Nach seiner Freilassung entschloss sich Bhartso, im selben Jahr wie der Dalai Lama geboren, mit seiner Frau zur Flucht. Der 15-tägige Fußmarsch war extrem strapaziös: "Wir hatten nichts mehr zu essen und aßen aus Verzweiflung Erde", erinnert er sich. Seine eineinhalbjährige Tochter musste er tragen. Die Flucht in das damals unabhängige Sikkim - heute Indien - gelang, doch Bhartsos Frau erkrankte und starb 1963 nach der Geburt des zweiten Kindes an Tuberkulose. Auch das Baby hat nicht überlebt. Trotzdem sagt Bhartso: "Die Freude über die Ankunft im Exil überragte den Verlust."wohl noch warten müssen."
Der Anfang im indischen Exil war nicht nur wegen des Verlusts von Frau, Kind und Heimat hart. Wie viele geflohene Tibeter fand auch Bhartso zunächst nur im Straßenbau Arbeit. Indiens Ministerpräsident Jawaharlal Nehru nahm die Tibeter mit offenen Armen auf. Er ließ aus strategischem Kalkül gegenüber China eine Exilregierung zu und gewährte den Exilanten politische und kulturelle Autonomie und eigene Schulen. Flüchtlinge bekamen Ackerland zugesprochen. Bhartso wurde Lehrer und später Schuldirektor.

Wie er flohen mit der Niederschlagung des Aufstands 80.000 Tibeter ins Exil. Zwar war seit 1956 eine tibetische Guerilla aktiv gewesen, die vom US-Geheimdienst CIA unterstützt wurde, doch der vom 10. bis 19. März dauernde Aufstand entwickelte sich spontan. Er war Ausdruck der Unzufriedenheit der Tibeter mit der Bevormundung durch China, die sich seit dem sukzessiven Einmarsch 1950/51 angestaut hatte.

Weil der Dalai Lama in jenem März 1959 in Lhasa zu einer Aufführung in das chinesische Armeehauptquartier bestellt worden war, ging das Gerücht, er solle festgenommen werden. Das mobilisierte zehntausende Tibeter. Sie umstellten den Norbulingka-Palast, um ihren vergötterten Führer zu schützen. Die davon ausgehende Volkserhebung wurde von Chinas Truppen niedergeschlagen. Laut Exilregierung kamen bei den Unruhen 86.000 Tibeter ums Leben.
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Erinnert sich noch aus die Flucht seiner Familie nach Tibet: Karma Choephel. Foto: sven hansen

Die Regierung in Peking nutzte den Aufstand, um autonome tibetische Institutionen zu zerschlagen und in Tibet ihre sozialistische Revolution durchzusetzen. Den Tag der Auflösung der tibetischen Regierung, den 28. März 1959, hat Peking in diesem Januar zum "Tag der Befreiung von der Leibeigenschaft" erklärt. Mit diesem Feiertag will die chinesische Führung dem tibetischen Gedenken des Aufstands ihre Version der Geschichte entgegensetzen.

Seit 1959 hoffen die Exiltibeter auf Rückkehr, mal mehr und mal weniger. "Während der Kulturrevolution war die Hoffnung sehr gering", sagt Bhartso. In dieser Zeit wurden fast alle tibetischen Klöster und Tempel zerstört. Doch immer wieder weckten Proteste in Tibet, aber auch Gespräche zwischen Vertretern des Dalai Lama und der Pekinger Regierung Hoffnungen auf politischen Wandel in Tibet. "Eine Revolte löst bei allen Tibetern die gleichen Gefühle aus, es ist wie ein Vulkan", sagt Bhartso. Doch die Hoffnung sinkt auch schnell wieder, wenn Peking sich unnachgiebig zeigt und so hart durchgreift wie nach den antichinesischen Unruhen im März 2008.
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Tsewang Rigzin, Präsident des Tibetischen Jugendkongresses, träumt noch immer von der Unabhängigkeit. Foto: sven hansen

Heute leben etwa 110.000 der rund 130.000 Exiltibeter in Indien, und zwar mehrheitlich im Süden des Landes. Doch die kleine tibetische "Exilhauptstadt" Dharamsala mit knapp 8.000 Tibetern - bei 19.000 Einwohnern - liegt im Nordwesten und damit in geografischer wie klimatischer Nähe zur Heimat. Dharamsalas oberer Ortsteil McLeod Ganj, auch "Klein-Lhasa" genannt, liegt auf knapp 1.800 Meter Höhe im Bundesstaat Himachal Pradesh am Fuße eines Ausläufers des Himalaja. Hier lebt der Dalai Lama in einem Teil des Tsuglagkhang-Tempelkomplexes, des größten tibetischen Tempels außerhalb der Heimat.

McLeod Ganj hat sich zu einem Pilgerort internationaler Tibet-Freaks und Buddha-Jünger entwickelt. In dem mit Gebetsfahnen geschmückten Ort, in dem mehrere Affenherden leben und über den immer viele Raubvögel kreisen, kaufen die Besucher Free-Tibet-Shirts, Dalai-Lama-Bücher oder CDs mit spiritueller Musik. Die Touristen belegen Kurse in tibetischer Astrologie und verbringen den Tag mit Mantren, Mystik, Massagen oder Meditation. Auf den Straßen des kleinen Bergorts sind mehr ausländische Touristen als tibetische Mönche zu sehen.

Etwas unterhalb des Tsuglagkhang-Tempels haben die tibetische Exilregierung und das Exilparlament ihren Sitz. Einer der 43 Abgeordneten ist Karma Choephel. Er war bis November 2008 Parlamentssprecher. Der heute 59-Jährige erinnert sich ebenfalls noch gut an die Flucht als Kind. Als seine Eltern sich zur Flucht entschlossen, waren die chinesischen Truppen noch nicht bis in Choephels im Westen gelegenen Heimatort am Fuße des Kailasch vorgedrungen. So glich die Flucht seiner Familie zunächst eher einer Pilgerreise, doch starb sein Vater bald nach der Ankunft in Indien.

Anders als Bhartso hält Choephel den vom Dalai Lama vorgeschlagenen sogenannten Mittleren Weg - also eine volle kulturelle Autonomie für Tibet bei gleichzeitiger Anerkennung der chinesischen Oberhoheit - für inakzeptabel. Da er sich geschworen hat, nur in ein "freies Tibet" zurückzukehren, wird Choephel wohl zu seinen Lebzeiten keinen tibetischen Boden mehr betreten. "Die chinesische Führung hat getötet, verletzt und vergewaltigt. Wie könnte ich da zurückkehren?", fragt Choephel. "Das ist unmöglich. Ich habe nicht so ein großes Herz wie der Dalai Lama." Er habe große Hoffnungen gehegt, als 1976 Mao Zedong starb. Aber dann habe sich für die Tibeter doch nichts geändert. Vielmehr hätten sie es versäumt, die Zeit zu nutzen, als die Volksrepublik China bis 1971 nicht in der UNO vertreten war.

"Wir, die wir hier in Indien geboren sind und nie unsere Heimat gesehen haben, wollen unbedingt dorthin", bekräftigt Urgen Tenzin. Er leitet das Tibetische Zentrum für Menschenrechte und Demokratie (TCHRD). Es ist im Gebäude des Außen- und Informationsministeriums der Exilregierung untergebracht und eine Art Ausgründung desselben. "Die jungen Tibeter sind sehr frustriert. Sie haben den Eindruck, dass bei den Gesprächen mit China nichts herauskommt. Deshalb glauben sie, dass der Mittlere Weg des Dalai Lama keine Zukunft hat." Obwohl dieser letztlich gar nicht so weit von der Position der Chinesen entfernt sei. "Für die Position des Mittleren Weges und der Gewaltlosigkeit bekommen wir viel internationale Unterstützung", sagt Tenzin. "Die repressive Politik der Chinesen kann doch nicht ewig so weitergehen."

Gegen den Mittleren Weg des Dalai Lama ist Tsewang Rigzin, Präsident des Tibetischen Jugendkongresses (TYC). Mit 30.000 Mitgliedern ist es die größte tibetische Exilorganisation. "Unser Ziel ist die Unabhängigkeit", sagt Rigzin. "Und das werden wir nie aufgeben." Er ist enttäuscht vom Ausgang des Treffens der Exiltibeter im November in Dharamsala, das den Mittleren Weg bestätigte. "Ich dachte, der Dalai Lama wollte alle Optionen diskutieren. Denn nur um über den Mittleren Weg zu beraten, brauchten wir dieses Treffen nicht", sagt er. "Solange wir unsere Hoffnung aufrechterhalten, ist es unser Recht, die Unabhängigkeit zu bekommen." Wer sich die Weltgeschichte anschaue, entdecke immer wieder Ereignisse, die zuvor unrealistisch erschienen seien, theoretisiert Rigzin: "Sehen Sie Barack Obama. Vor 40 Jahren war ein schwarzer US-Präsident noch völlig undenkbar!" Wohl auch deshalb lehnt neben Rigzins Schreibtisch, über dem ein Foto des Dalai Lama hängt, ein stilisiertes Obama-Bild mit der Aufschrift "Hoffnung" an einer tibetischen Flagge.Für den 36-jährigen Topjor, der wie viele Tibeter nur einen Namen hat, ist die Frage der Rückkehr vorerst abwegig. Denn er ist erst am 7. Januar dieses Jahres geflohen. Nachdem er schon einmal wegen eines Protests gefoltert wurde und fünf Jahre inhaftiert gewesen ist, schien ihm die Situation nach den Unruhen 2008 zu brenzlig. Fluchthelfer brachten ihn über die Grenze. "In Dharamsala möchte ich erst einmal Fuß fassen und Englisch lernen", sagt er. 2008 sind nach Angaben der tibetischen Exilbehörden 627 Tibeter nach Indien und Nepal geflohen - weniger als in den Vorjahren, weil die Grenze strenger kontrolliert wird. Doch 50 Jahre nach dem Volksaufstand treiben dessen Ursachen noch immer Tibeter ins Exil.

Höflich unterdrückt

Die Präsenz des chinesischen Militärs schüchtert die einheimische Bevölkerung in Tibet ein - und lähmt das öffentliche Leben. VON GEORG BLUME

Würde sich lieber von den Lamas als von China beherrschen lassen: Tibetanischer Demonstrant. Foto: dpa

Es ist fast genau ein Jahr her, dass sie sich zum letzten Mal trafen: Duojie*, der tibetische Tänzer, und Ciren, der tibetische Student. Damals hat sie der Aufstand der tibetischen Mönche zusammengebracht, heute eint sie die Angst vor der chinesischen Staatsgewalt. "Wir sind extrem nervös. Ich kenne sonst keinen Tibeter, der es im Augenblick wagt, mit einem Ausländer zu reden", sagt Ciren.

Sie treffen sich im Tibetancool International Club von Lanzhou, der Hauptstadt der westchinesischen Provinz Gansu. Ein Aufzug bringt sie in den siebten Stock. Vor ihnen öffnet sich ein langer Gang, der mit goldenen Gebetsmühlen aus Plastik dekoriert ist. Sie wählen ein Séparée mit Karaoke-Ausstattung und legen eine tibetische Video-CD auf. Auf einem Großbildschirm spielt eine Band aus dem autonomen tibetischen Bezirk Gannan in Süd-Gansu. Sie singt vom blauen Himmel über dem tibetischen Hochland und der Hoffnung auf eine reine Seele. Doch Ciren und Duojie hören nicht hin. Sie sagen, dass sie die Musik laut stellen, damit das chinesische Dienstpersonal draußen im Gang nicht verstehen könne, was sie reden. Ciren und Duojie sind sich unsicher, was am heutigen Tag geschehen wird. In Gannan sei die Lage so gespannt, dass er nicht mehr wage, dort anzurufen, berichtet Duojie. Ciren hat vor wenigen Tagen das tibetische Neujahr bei seinen Eltern in einem tibetischen Kreis der Provinz Sichuan gefeiert. Er erzählt, dass seine Familie und die Nachbarn nicht wagten, an den üblichen buddhistischen Zeremonien während der Feiertage teilzunehmen. Nicht aus Protest, wie es die tibetische Exilbewegung gerne sehen will, weil die Zeremonien offiziell abgesegnet waren. Sondern ganz einfach, weil man den Verhältnissen nicht traut. Überall in den tibetischen Siedlungsgebieten sei die Präsenz der chinesischen Sicherheitskräfte unübersehbar und wirke auf die tibetische Bevölkerung einschüchternd, stimmen Ciren und Duojie überein. "Sie fragen nach Pässen, sie patrouillieren mit ihren Militärfahrzeugen in den Hauptstraßen, sie machen Manöverübungen. Sie sind höflich. Man kann nicht sagen, dass sie die Leute konkret belästigen. Aber alle denken, dass sie da sind, um uns zu unterdrücken", sagt Ciren.

Noch vor einem Jahr hätten sich die beiden nicht vorstellen können, dass die Lage so eskaliert. Damals waren am 10. März die Mönche der großen Klöster in Lhasa, der Hauptstadt der Autonomen Region Tibet, auf die Straße gegangen. Ihr Protest war mit der Exilbewegung abgestimmt, es sollte die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit im chinesischen Olympia-Jahr genutzt werden. Ciren und Duojie sympathisierten. Als die chinesische Sicherheitskräfte die Mönche zurück in ihre Klöster drängten und von der Öffentlichkeit abriegelten, organisierten die tibetischen Studenten an der Minderheitenuniversität von Lanzhou eine öffentliche Mahnwache. Ciren war mit dabei.

Dann kam der 14. März, der Aufstand von Lhasa. Wer ihn entfachte, darüber wird bis heute gestritten. Augenzeugen berichteten damals der taz, dass radikale tibetische Studenten den gewalttätigen Protest im alten Tempelbezirk von Lhasa anzettelten. Von der Exilbewegung aber wird bis heute behauptet, dass es chinesische Agenten waren, die sich als Mönche verkleidet hatten, wodurch das Verhängnis seinen Lauf nahm. Denn der Protest eskalierte an diesem Tag zur antichinesischen Gewaltorgie, bei dem 19 Chinesen starben und der Großteil der chinesischen Geschäfte in Lhasa verwüstet wurde. Bis heute dient nun der 14. März Peking zur Rechtfertigung sämtlicher Repressionsmaßnahmen in den tibetischen Gebieten.

Anfänglich behauptete die Exilbewegung, dass am 14. März auch viele Tibeter ums Leben gekommen waren. Das bestätigte sich nicht. Doch geht die Bewegung inzwischen davon aus, dass im Zuge der chinesischen Gegenmaßnahmen in den letzten zwölf Monaten 220 Tibeter getötet, 1.300 verletzt und 7.000 zeitweise verhaftet wurden. Überprüfbar sind diese Angaben genauso wenig wie vor einem Jahr, als sie falsch waren. China bestreitet sie rundherum. Offiziell wurde lediglich bestätigt, dass nach dem Aufstand im letzten Jahr in Lhasa 953 Tibeter festgenommen, von ihnen 76 verurteilt und die übrigen wieder freigelassen wurden. Doch wie hoch auch immer die Opferzahlen sein mögen - es gibt keinen Zweifel an der seit einem Jahr völlig veränderten Lage in den tibetischen Gebieten. "Vor den Ereignissen im letzten März ließen uns die Chinesen in Ruhe. Sie investierten sogar in Tibet", erinnert sich Ciren. Er berichtet, wie wichtig in dieser Zeit der chinesische und ausländische Tourismus als Einkommen für viele Tibeter geworden wäre. Alles was die Chinesen heute in Tibet machten, diene nur noch ihren Sicherheitsinteressen.

Für die in Peking lebende, international bekannte tibetische Autorin Woeser hat sich damit der wahre Charakter der chinesisch-tibetische Beziehungen enthüllt: "Das Tibet-Ereignis hat den Schleier enthüllt. Früher sahen sich die Tibeter als Günstlinge der Chinesen, aber sie wurden nur wie Haustiere geliebt. Die Wahrheit ist, dass den Tibetern, wenn sie wie Menschen behandelt werden möchten, der Garaus gemacht wird", sagt Woeser. Die Gegenmeinung vertritt der KP-nahe tibetische Anthropologe Gelek: "Dass sich vor manchen Gedenktagen die Beziehungen zwischen Chinesen und Tibetern verschlechtern, ist nur Ausdruck eines politischen Kampfes zwischen dem Dalai Lama und der Pekinger Zentralregierung. Aber im tibetischen Alltag spürt man das nicht. Den meisten Tibetern ist ideologisches Denken fremd. Sie begrüßen die vielen materiellen Verbesserungen der letzten Jahre," sagt Gelek. Für die jungen Tibeter Ciren und Duojie ist es nicht einfach, sich in diesem Streit auf eine Seite zu schlagen. "Der Aufstand im letzten Jahr hat unsere Herzen beruhigt, aber er hat uns im Leben nicht weitergeholfen", sagt Duojie.


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